Haben Sie auch den Adlerblick? Erkennen Sie sofort, wenn andere die Situation falsch einschätzen, einen Fehler begehen oder etwas Wichtiges übersehen? Springen Sie dann ein, indem Sie retten, helfen, lösen und klären, auch wenn Sie nicht zuständig sind? Machen Sie das auch, falls das Problem öfter auftritt? Machen Sie das auch über Monate oder vielleicht sogar Jahre? Brauchen Sie mehr Gelassenheit im Job?
Menschen, die den Adlerblick haben, übersehen sehr häufig eines: Je öfter sie die Situation retten, desto mehr verhindern sie eine dauerhafte Lösung, weil die verantwortlichen Führungskräfte keinen Grund sehen, das Problem zu lösen. Wozu etwas reparieren, das ohnehin ausreichend gut funktioniert? Manche Adler beklagen sich dann darüber, dass niemand die Strukturen ändert, die Prozesse neu erstellt oder die inkompetenten MitarbeiterInnen kündigt.
Also besser zusehen und auflaufen lassen – oder wie?
Es gibt Situationen, in denen man jedenfalls handeln und keinesfalls nur zuschauen sollte. Nämlich dann, wenn unmittelbar größerer Schaden droht. Was ist größerer Schaden? Für manche Menschen ist es schon ein größerer Schaden, wenn in einem internen E-Mail ein Beistrich fehlt, weil dann der Ruf der Abteilung in Gefahr sein könnte. Man kann es nicht verallgemeinern. Ein fehlender Beistrich in einem Notariatsakt kann Millionen kosten – für interne Zwecke kann das hingegen unbedeutend sein. Aber eines kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen: Die meisten Adler greifen auch in Situationen ein, wo der mögliche Schaden sehr begrenzt ist.
Falls Sie bemerken, dass Sie sich selbst manchmal wie ein solcher Adler verhalten, empfehle ich Ihnen, folgende Schritte zu setzen:
Klären Sie Kompetenzen
Falls Sie beobachten, dass bestimmte Probleme immer wieder auftauchen, wirken Sie daran mit zu klären, wer dafür verantwortlich ist. Sie befürchten, dass Ihre KollegInnen das als unkollegial erleben werden? Ja, das kann passieren. Dann liegt es an Ihnen zu erklären, warum es wichtig ist, dass die Probleme gelöst werden. Falls die Probleme von den verantwortlichen Personen nicht behoben werden, informieren Sie mit Bedacht die Ebene darüber.
Ziehen Sie eine Grenze
Prüfen Sie Ihr eigenes Verhalten. Habe ich alles getan, damit die entscheidungsbefugten Personen über die Kosten und Folgen des Missstandes informiert sind? Gibt es eine Möglichkeit, auch die Ebene darüber zu informieren? Falls Sie alles getan haben, können Sie sich wieder um die Aufgaben in Ihrem Bereich kümmern.
Gelassenheit im Job: Schauen Sie einfach zu
Sie haben Ihre Verantwortung wahrgenommen. Jetzt müssen andere ihre Verantwortung wahrnehmen. Falls Sie jetzt trotzdem selber tätig werden, maßen Sie sich eine Rolle an, die Ihnen nicht zusteht. Sie haben weder die Zeit noch die Autorität, alle Probleme der Organisation zu lösen. Vertrauen Sie auf die Lebenskraft von Organisationen. In allen Organisationen gibt es ungeklärte Zuständigkeiten, fehlerhafte Prozesse, mangelnde Abstimmung, Doppelgleisigkeiten und unprofessionelles Verhalten. Versuchen Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf das zu richten, was gut gelingt.
Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den eigenen Bereich
Prüfen Sie sich selbst immer wieder streng: Habe ich als Führungskraft in meinem Bereich sorgfältig gehandelt? Was kann ich tun, um meinen MitarbeiterInnen noch besser Orientierung zu geben? Wie kann ich meine Delegation noch unmissverständlicher ausdrücken? Wie kann ich die Leistung meiner MitarbeiterInnen angemessen kontrollieren? Kehren Sie vor der eigenen Tür. Sie werden sehen, es gibt genug zu tun.
Lassen Sie sich überraschen
In manchen Fällen werden Sie überrascht feststellen, dass die Missstände nun behoben werden, weil sie auch für andere sichtbar werden. In anderen Fällen werden sie weiter bestehen. Sie aber haben jedenfalls gewonnen. Sie sparen sich ganz viel Ärger und Frustration über die Missstände in anderen Bereichen, weil Sie sich nicht länger um fremde Probleme kümmern müssen. Und Sie gewinnen viel Zeit, um den eigenen Bereich weiter zu verbessern.