Der Chef versteht nichts von der Materie! Die Chefin trifft ständig die falschen Entscheidungen! Der Chef ändert dauernd seine Meinung! – Viele MitarbeiterInnen möchten gerne ihren Chef bzw. ihre Chefin ändern. Sie möchten, dass er bzw. sie rascher entscheidet, sich um die wichtigen Anliegen kümmert, für die Einhaltung der Regeln sorgt und die langfristigen Auswirkungen bedenkt. Mit einem Wort: Sie möchten ihren Chef oder ihre Chefin führen.
Wie führe ich meinen Chef anhand von Beispielen:
Klara ist Teamleiterin und leitet ein IT-Projekt, an dem MitarbeiterInnen aus mehreren Abteilungen arbeiten. Der externe Kunde ist mit dem bisherigen Verlauf des Projekts gar nicht zufrieden, weil sich das Projekt ständig verzögert, Zusagen nicht eingehalten werden und sich die Ansprechpartner widersprechen. Klara hat ihrer Chefin bereits Vorschläge zur Veränderung der internen Abläufe und Zuständigkeiten gemacht, aber sie hat von ihrer Chefin keine Antwort bekommen. Also beginnt sie, die Veränderungen selber umzusetzen, um den Kunden zufriedenzustellen. Eine der beteiligten Personen ist sehr verärgert über Klaras verhalten. Er informiert die Chefin, und diese zieht Klara von der Projektleitung ab.
In diesem Fall hat Klara ihre Chefin nicht geführt, sondern versucht, diese zu ersetzen. Sie maßt sich an, die Chefin zu sein. Viele Chefs fühlen sich durch ein solches Verhalten in ihrer Autorität in Frage gestellt und hintergangen. Widerstehen Sie daher besser der Verlockung, in die Rolle der Chefin zu schlüpfen. Das bedeutet nicht, dass Sie bei Untätigkeit zusehen, bei falschen Entscheidungen leiden und bei allem Aktionismus mitmachen müssen. Versuchen Sie besser, nachhaltig auf das Verhalten Ihres Chefs bzw. Ihrer Chefin einzuwirken, ohne Anspruch, sie oder ihn zu ändern. Dieser Unterschied ist sehr bedeutsam: Ich möchte nicht, dass die Person z. B. generell entscheidungsfreudiger wird, sondern ich möchte hier und heute eine ganz bestimmte Entscheidung. Im anderen Fall wäre es wieder nur eine andere Form der Anmaßung.
Sprechen sie Chefisch
Viele Führungskräfte beklagen sich bei mir, dass ihr Chef inkompetent ist. Er versteht nicht das geringste von der „Sache“. Wobei die Sache jeweils das Spezialgebiet der Person ist: Buchhaltung, Controlling, Recht, Marketing, Produktion, Vertrieb etc. Sie glauben, dass nur ihr Chef so unfähig ist. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass höhere Führungskräfte zu den meisten fachlichen Themen inkompetent sind. Sie kennen sich meistens in einem Teilbereich sehr gut aus, wie zum Beispiel Recht oder Produktion. Alle anderen kennen sie nur sehr oberflächlich. Sprechen Sie also nicht in Ihrem Fachjargon mit ihr, sondern „Chefisch“. Wenn es Ihnen gelingt, Ihr Anliegen so zu erklären, dass sie es verstehen kann, werden Sie sie viel leichter überzeugen.
Wenig Information bringt mehr Wirkung
Führungskräfte ertrinken in Information. Viele Führungskräfte bekommen am Tag zwischen 100 und 200 E-Mails, viele davon mit angehängten Dokumenten. Dazu kommen noch Informationen aus Telefonaten und Besprechungen. Sie leben in einem ständigen Gefühl des Versagens: „Ich weiß, ich habe es bekommen, aber nicht gelesen. Ich müsste es wissen.“ Bereiten Sie die Information für Ihren Chef auf. Schreiben Sie Zusammenfassungen. Machen Sie Angaben, welche E-Mails im Detail zu lesen sind und welche nur weitergeleitet wurden für den Fall, dass Interesse besteht.
Lenken Sie die Aufmerksamkeit
Klaus beklagt sich über seinen Chef: „Ich habe ihm schon zweimal gesagt, dass wir den Mitarbeiter möglicherweise verlieren, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen. Ich glaube, der ignoriert mich absichtlich. Wahrscheinlich macht er das absichtlich. Jetzt sage ich nichts mehr.“ Führungskräfte bekommen am Tag unzählige Informationen über Krisen, Katastrophen, Konflikte, Deadlines etc. Das Anliegen von Klaus hat vermutlich die Aufmerksamkeitsschwelle nicht überschritten. Nehmen Sie es nicht persönlich. Bleiben Sie dran. Steter Tropfen höhlt den Stein. Falls Ihr Anliegen wichtig ist, können Sie es auch riskieren, dass Ihr Chef Sie als lästig und störend erlebt.
Lieber gemeinsam zum Erfolg als allein gegen die Wand
Sie möchten den Chef überzeugen, die Strategie zu ändern? Sprechen Sie mit Kolleginnen. Gibt es andere, die das auch möchten? Wenn ja, dann sammeln Sie überzeugende Informationen, bereiten Sie diese gemeinsame auf und setzen Sie viele kleine koordinierte Schritte. Sie befürchten, dass der Chef solche gemeinsamen Anstrengungen erst recht als Rebellion auffassen könnte? Das könnte schon sein. Diese Befürchtungen werden sich schnell auflösen, wenn Sie darlegen können, dass Sie mit einem berechtigten Anliegen im Interesse der Organisation handeln.
Studieren Sie Motive, Erwartungen und Eigenarten
Falls das alles noch nicht hilft, den Chef in Ihre Richtung zu führen, erhöhen sie Ihre Anstrengungen. Chefs haben ihre eigenen Motive zu handeln, ihre höchst persönlichen Erwartungen und ihre Eigenarten. Der eine Chef möchte alles bis ins Detail wissen, der andere möchte grobe Überblicke. Manche Menschen entscheiden schnell, andere brauchen Zeit. Finden Sie die Eigenarten und Vorlieben ihres Chefs heraus. Sprechen Sie mit KollegInnen und Kollegen, KundInnen und Stakeholdern. Sobald Sie wissen, was Ihren Chef bewegt, können Sie ihn auch bewegen.